Forschende machen Düsentriebwerke fit für das Wasserstoffzeitalter
Flugzeuge sollen künftig mit Wasserstoff um die Welt fliegen. Ingenieure und Ingenieurinnen entwickeln dafür Düsentriebwerke. Damit diese Motoren leistungsf?hig und langlebig werden, liefern Experimente von Forschenden der ETH Zürich nun wichtige Grundlagen.
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In Kürze
- In Düsentriebwerken k?nnen Wechselwirkungen von Flammen und dem bei der Verbrennung entstehenden Schall Vibrationen verursachen.
- Diese Vibrationen belasten die Triebwerke stark. Ingenieure versuchen daher alles, um sie zu vermeiden.
- Forschende der ETH Zürich haben nun wichtige Grundlagen für die Entwicklung von nachhaltigen Wasserstoff-Flugzeugtriebwerken geliefert: Sie testeten das akustische Verhalten von Wasserstoff-Einspritzdüsen im Labor unter Bedingungen, wie sie auf Reiseflugh?he herrschen.
Europa bereitet sich auf das klimaneutrale Fliegen mit nachhaltig hergestelltem Wasserstoff vor. Die EU hat vergangenes Jahr ein Projekt ausgeschrieben, mit dem sie die Industrie und Hochschulen bei der Entwicklung eines wasserstoffbetriebenen Mittelstreckenflugzeugs unterstützen will. Unter anderem müssen Düsentriebwerke auf den neuen Treibstoff umgerüstet werden. Heutige Triebwerke sind für das Verbrennen von Kerosin optimiert.
?Wasserstoff verbrennt schneller als Kerosin. Aus diesem Grund erzeugt es kleinere und kompaktere Flammen?, erkl?rt Nicolas Noiray, Professor am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Bei der Konstruktion von Wasserstoff-Triebwerken muss das berücksichtigt werden. Experimente von Noirays Teams liefern dafür nun wichtige Grundlagen. Das Team ver?ffentlichte ihre Messungen soeben in der Fachzeitschrift externe Seite Combustion and Flame.
Ein Problem sind Vibrationen, welche Ingenieurinnen und Ingenieure einzud?mmen versuchen: In der Brennkammer eines Düsentriebwerks sind um die zwanzig Treibstoff-Einspritzdüsen ringf?rmig angeordnet. Dort wird der Treibstoff verbrannt, was Schallwellen erzeugt. Diese Schallwellen werden von den W?nden der Brennkammer zurückgeworfen und wirken sich auf die Flammen aus. Vibrationen, die durch die gegenseitigen Wechselwirkungen von Schallwellen und Flammen entstehen k?nnten, würden das Triebwerk stark belasten. ?Die Vibrationen k?nnen das Material ermüden, was im schlimmsten Fall Risse und Sch?den verursachen würde?, sagt Abel Faure-Beaulieu, ehemaliger Postdoktorand in Noiray’s Gruppe. ?Bei der Entwicklung von Triebwerken wird deshalb darauf geachtet, dass unter Betriebsbedingungen keine solchen Vibrationen entstehen.?
Bedinungen auf Reiseflugh?he simulieren
Als Ingenieurinnen und Ingenieure die heutigen Kerosin-Triebwerke entwickelten, mussten sie diese Schwingungen in den Griff bekommen. Das gelang ihnen, indem sie die Form der Flammen und die Geometrie und Akustik der Brennkammer optimierten. Die Art des Treibstoffes hat jedoch einen grossen Einfluss auf die Wechselwirkungen von Schall und Flamme. Daher müssen Ingenieure und Forschende nun auch dafür sorgen, dass die Schwingungen in einem neuen Wasserstoff-Triebwerk nicht auftreten. Eine aufw?ndige Versuchs- und Messanlage an der ETH Zürich erm?glicht es Noiray, die Akustik von Wasserstoff-Flammen zu messen und diese Schwingungen vorherzusagen. Im Rahmen des EU-Projekts Hydea, an dem er gemeinsam mit der Firma GE Aerospace beteiligt ist, testet er Wasserstoff-Einspritzdüsen dieser Firma.
?Mit unserer Anlage k?nnen wir die Temperatur und den Druck in einem Triebwerk auf Reiseflugh?he nachbilden?, erkl?rt Noiray. Zudem k?nnen die ETH-Forschenden die Akustik von verschiedenen Brennkammern simulieren und so eine Vielzahl von Messungen durchführen. ?Unsere Studie ist die erste ihrer Art, die das akustische Verhalten von Wasserstoff-Flammen unter realen Flugbedingungen misst.?
In ihren Experimenten verwendeten die Forschenden eine einzige Einspritzdüse. Anschliessend nutzten sie ihre Daten, um das akustische Verhalten zahlreicher Düsen, wie sie in einem Triebwerk vorkommen, zu modellieren. Die Studie hilft den Ingenieurinnen und Ingenieuren von GE Aerospace, die Einspritzdüsen zu optimieren und den Weg für ein funktionierendes Wasserstoff-Triebwerk zu ebnen. In wenigen Jahren soll es für erste Tests am Boden bereit sein, und sp?ter werden damit die ersten Flugzeuge abheben k?nnen.
ETH-Professor Noiray h?lt aber weder die Entwicklung der Triebwerke noch die Entwicklung von Wasserstoff-Tanks für die Flugzeuge für die gr?sste Herausforderung bei der ?berführung der Luftfahrt ins Wasserstoffzeitalter. ?Die Menschheit ist auf den Mond geflogen. Ingenieure werden es auch schaffen, Wasserstoff-Flugzeuge zu entwickeln?, sagt er. Doch mit den Flugzeugen alleine ist es nicht getan. Eine grosse Herausforderung bestehe auch darin, die gesamte Infrastruktur rund um die Wasserstoff-Luftfahrt aufzubauen, etwa ausreichende Mengen klimaneutralen Wasserstoff herzustellen und zu den Flugh?fen zu transportieren, sagt Noiray. Damit auch dies innert nützlicher Frist gelingt, brauche es jetzt einen Effort.
Warum Wasserstoff für die Luftfahrt?
Die meisten Fahrzeuge k?nnen mit Batterien elektrifiziert werden. Für leistungsstarke Flugzeuge sind Batterien jedoch zu schwer. Die Energie, um 200 Passagiere über tausende Kilometer in der Luft zu transportieren, l?sst sich als Wasserstoff in einem Kühltank zu einem mindestens 30-mal geringeren Gewicht speichern, als es in einer Batterie m?glich w?re. ?H?chstens Kleinflugzeuge mit geringer Nutzlast werden in Zukunft batteriebetrieben sein?, sagt ETH-Professor Noiray. ?Für Passagier- und Frachtflugzeuge sind synthetische Treibstoffe die einzige Alternative zum heutigen Kerosin. Und von diesen synthetischen Treibstoffen l?sst sich Wasserstoff am wirtschaftlichsten nachhaltig produzieren.?
Je nach Gr?sse und Reichweite stehen zwei verschiedene Wasserstoffantriebe zur Diskussion. Bei kleineren Regionalflugzeugen mit geringer Reisegeschwindigkeit und Reichweite kann der Wasserstoff an Bord in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt werden. Dieser treibt über einen Elektromotor Propeller an. Für Verkehrsflugzeuge mit grosser Reichweite sind aber auch Brennstoffzellen nicht geeignet, weil sie zu gross und zu schwer sind. Solche Flugzeuge sollen künftig von Düsentriebwerken mit Wasserstoff als Treibstoff angetrieben werden. Mehrere Industriekonsortien arbeiten derzeit an der Entwicklung solcher Antriebe.
Das Projekt wird unterstützt vom Clean Aviation Joint Undertaking (externe Seite CAJU), einer Public-private-Partnership der Europ?ischen Kommission und der europ?ischen Luftfahrtindustrie.
Literaturhinweis
Faure Beaulieu A, Dharmaputra B, Schuermans B, Wang G, Caruso S, Zahn M, Noiray N: Measuring acoustic transfer matrices of high-pressure hydrogen/air flames for aircraft propulsion. Combustion and Flame, 22. Oktober 2024, doi: externe Seite 10.1016/j.combustflame.2024.113776