Rohstoffreichtum – Segen oder Fluch?
Mit L?ndern reich an Rohstoffen verh?lt es sich ?hnlich wie mit Lottomillion?ren: Die einen verlieren sich hoffnungslos und enden auf dem Sozialamt, die anderen starten durch und schaffen sich die Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Nur: Warum blühen die einen auf, w?hrend andere darben?
Immer mehr Entwicklungsl?nder exportieren Rohstoffe. Die so generierten Einnahmen bieten eine einmalige Chance für diese L?nder, sich nachhaltig zu entwickeln, indem sie etwa dringend ben?tigte Infrastruktur bauen, Fachkr?fte ausbilden und die Wirtschaft diversifizieren. Doch die Erfahrung zeigt, dass Rohstoffeinnahmen oft eine gute Regierungsführung untergraben, Korruption und Konflikte f?rdern und die Umwelt zerst?ren – nicht selten sind diese L?nder am Schluss ?rmer als zu Beginn des Rohstoffabbaus. Was aber sind die Faktoren, die darüber entscheiden, ob sich ein Land eher in Richtung von ?Nigeria? oder von ?Norwegen? entwickelt?
Das Beispiel Sambia vs. Chile
Der Vergleich der Entwicklung von Sambia im südlichen Afrika seit 1970 mit derjenigen von Chile im gleichen Zeitraum ist aufschlussreich. Chile hat bis 2010 sein Prokopfeinkommen um das Zweieinhalbfache vergr?ssert und ist weltweit wichtigster Kupferlieferant – dasjenige von Sambia ist um 20 Prozent geschrumpft. Dabei hatten beide L?nder vergleichbare Startbedingungen: Sambia und Chile geh?ren zu den zehn L?ndern mit den gr?ssten Kupferreserven und steuerten 1970 je etwa 12 Prozent der globalen Produktion bei. In beiden L?ndern war der Kupferabbau dominiert von amerikanischen und südafrikanischen Firmen. Sambias Minen waren auf dem London Stock Exchange registriert; Tochterunternehmen in der Stadt an der Themse waren für das Marketing zust?ndig, andere besorgten die technische Ausrüstung.
Anfang der siebziger Jahre haben Chile und Sambia die Rohstoffunternehmen verstaatlicht, um einen gr?sseren Anteil an den Kupfereinnahmen zu erhalten und für die Entwicklung ihrer L?nder verfügbar zu machen. Nach der Verstaatlichung haben die jeweiligen Regierungen die Weichen jedoch in unterschiedliche Richtungen gestellt.
Sambias Sinkflug
Das staatliche Unternehmen Zambia Consolidated Copper Mines (ZCCM) hatte zun?chst kr?ftig in den Bergbau investiert, bis nach fünf Jahren die regierende Partei ein führendes Parteimitglied an die Unternehmensspitze setzte. In der Folge wurde die Substanz der ZCCM Mitte der siebziger Jahre selber zur ?Abbaust?tte?: Ein Grossteil der Einnahmen des Unternehmens (nicht der Steuern) wurde für andere Zwecke gebraucht, darunter für den letztlich erfolglosen Aufbau anderer Staatsbetriebe, für die Finanzierung von Parteiausgaben, Ferienresorts und anderer nicht-rentabler Projekte. W?hrend die Anzahl Mitarbeiter bei ZCCM stetig stieg, sank die Produktion, die Exploration neuer Lagerst?tten ging zurück und die Infrastruktur darbte. Mitte der neunziger Jahre waren die Investitionen auf einen Drittel von 1975 geschrumpft. Zur Jahrtausendwende blieb nur die Privatisierung des maroden Betriebs. Das geschah zu Konditionen, die selbst in den Boom-Jahren kaum Einnahmen generierten: 2006 verkauften die Unternehmen Kupfer für über 2 Milliarden Dollar, Sambias Ertrag aus Royalties belief sich auf 25 Millionen. Neu verhandelte Vertr?ge haben das inzwischen etwas korrigiert, dennoch hat der aktuelle Preiszerfall die Sambische Wirtschaft in eine tiefe Krise gestürzt.
Chiles Aufstieg
Im Gegensatz dazu hat Chile mit dem Kupferreichtum eine respektable Wirtschaft aufgebaut. Das verstaatlichte Unternehmen Codelco wurde bald schon der Konkurrenz ausgesetzt: Chile schuf stabile Rahmenbedingungen und vergab Konzessionen an grosse private Bergbaufirmen. So musste sich Codelco im Wettbewerb um Abbaurechte behaupten und – wie jeder andere Betrieb – Steuern abliefern . Heute ist Codelco immer noch im Staatsbesitz, es ist das gr?sste Bergbauunternehmen im Land und hat erfolgreich ins Ausland expandiert. Als Nebeneffekt gewinnt der chilenische Staat gute technische und geologische Kenntnisse, was ihm bei Verhandlungen um Konzessionen zugute kommt. Zudem hat Chile die Abh?ngigkeit vom Kupferexport und den volatilen Weltmarktpreisen reduziert, indem es andere Branchen f?rderte und so die Wirtschaft diversifizierte. Darum leidet das Land heute deutlich weniger unter dem Preiszerfall als Sambia, obwohl Chiles Kupferexport um ein vielfaches h?her ist.
Starke Institutionen sind entscheidend
Ob der Rohstoffreichtum für Entwicklungsl?nder eine Chance ist, h?ngt prim?r von der Qualit?t der staatlichen Institutionen ab. Die Eigentümerstruktur der Unternehmen scheint zweitrangig zu sein. Das best?tigt auch der Blick auf Statoil: Das staatliche Unternehmen, das Norwegen nach der Entdeckung von ?lvorr?ten in der Nordsee gegründet hatte, wuchs zu einem der weltweit gr?ssten ?l- und Gaskonzerne, dessen Gewinne dem norwegischen Staatsfonds bislang 900 Milliarden Dollar einbrachten. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Verlockung in Norwegen und Chile kleiner war also sonst wo, ihre Rohstofffirmen zu Selbstbedienungsl?den zu machen. Entscheidend ist, dass die norwegischen und chilenischen Institutionen das nicht zugelassen haben: Es waren genügend Kontrollmechanismen innerhalb der politischen und administrativen Systemen vorhanden, die verhinderten, dass sich einzelne Interessengruppen bedienen konnten.
Rohstoffeinnahmen f?rdern aber erst dann eine nachhaltige Entwicklung, wenn man die Mittel einerseits entsprechend investiert (unter anderem in Infrastruktur und Humankapital), und andererseits die Wirtschaft breit aufstellt, um eine ungesunde Abh?ngigkeit vom Rohstoffsektor zu verhindern. Auch hier spielen die Kapazit?t der Institutionen sowie ausreichende ‘checks and balances’ die entscheidende Rolle.
Trotz momentan tiefer Weltmarktpreise werden auch künftig mehr Entwicklungsl?nder Rohstoffe exportieren. Die Qualit?t der politischen und administrativen Institutionen wird entscheiden, ob Rohstoffeinnahmen korrupte Eliten bereichern oder den Menschen und dem Land zugutekommen.
Fritz Brugger hat diesen Beitrag nach einem Vortrags verfasst, den er anl?sslich der Sonderausstellung ?BodenSch?tzeWerte? von focus Terra hielt. Die Ausstellung l?uft noch bis am 20. November 2016.
Weiterführende Informationen
Coz Léniz, Fernando. 2010. “Histories of Nationalization and Privatization: The Cases of Chilean and Zambian Copper Industries.” 13.
Meller, Patricio, and Anthony M. Simpasa. 2011. “Role of Copper in the Chilean & Zambian Economies: Main Economic and Policy Issues.” GDN Working Paper Series 43 133.