Wie funktioniert die Berufung von Professor:innen?
Pro Jahr werden an der ETH Zürich etwa 35 Professor:innen neu berufen. Doch wie sieht ein solcher Berufungsprozess aus? Eine Erl?uterung.
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Bevor wir uns um die eigentliche Kernfrage kümmern, wie der Berufungsprozess an der ETH Zürich genau aussieht, gilt es, eine andere grundlegende Frage zu kl?ren:
Welche Arten von Professuren gibt es an der ETH Zürich?
Die ETH Zürich unterscheidet grunds?tzlich zwischen zwei Arten von Professuren: der Assistenzprofessur – mit und ohne Tenure Track – und der permanenten Professur, d.h. einer zeitlich unbefristeten Professur. Konkret unterscheiden sich diese Professuren folgendermassen:
Assistenzprofessuren: Mit Assistenzprofessuren sollen junge Wissenschaftler:innen gef?rdert werden, die bei ihrem Amtsantritt in der Regel nicht ?lter als 35 Jahre sind. Dabei handelt es sich jedoch nicht um das biologische Alter, sondern um eine Angabe des akademischen Alters. Dies bedeutet, dass ein:e Assistenzprofessor:in beim Amtsantritt auch etwas ?lter als 35 Jahre sein kann – beispielsweise, wenn aufgrund von Elternschaft oder Milit?rdienst ein Unterbruch der akademischen Laufbahn notwendig war.
Alle Assistenzprofessuren sind zeitlich befristet: Nach einer ersten Amtszeit von vier Jahren ist eine Wiederernennung für maximal weitere vier Jahre m?glich. Danach endet die Assistenzprofessur und die Person muss entweder die ETH Zürich verlassen oder wird auf eine permanente Professur berufen.
Eine besondere Voraussetzung haben hierbei Assistenzprofessor:innen mit Tenure Track: Haben diese Wissenschaftler:innen in ihrer bisherigen Amtszeit hervorragende Leistungen erbracht, k?nnen sie über ein direktes, mehrstufiges Tenure-Verfahren eine permanente Professur erhalten. Die Entscheidung, ob ein solches Verfahren eingeleitet wird, liegt beim jeweiligen Departement. Die erbrachten Leistungen werden dann mittels eines internationalen Peer-Review-Prozesses evaluiert. Die ETH-Tenure-Kommission begutachtet s?mtliche Tenure-Antr?ge und spricht dem Pr?sidenten eine Empfehlung aus.
Permanente Professuren: Der n?chste Schritt in der akademischen Karriere ist in der Regel die Ernennung zur ausserordentlichen Professor:in. In diese Position werden meist jüngere Wissenschaftler:innen mit weniger Berufserfahrung berufen. Frühestens zwei Jahre sp?ter kann das jeweilige Departement die Einleitung eines Bef?rderungsverfahrens zur ordentlichen Professorin/zum ordentlichen Professor beantragen. Bei langj?hriger Berufserfahrung kann auch direkt eine solche Berufung in eine ordentliche Professur erfolgen.
Der Umfang der Ausstattung einer permanenten Professur ist nicht abh?ngig von der Stufe der Anstellung der Professor:in. Lediglich das pers?nliche Sal?r weist bei ausserordentlichen Professor:innen darauf hin, dass aufgrund der geringen Anzahl von Erfahrungsjahren noch eine Entwicklungsstufe bevorsteht.
Den Abschluss der akademischen Karriere bildet die Emeritierung. Diese erfolgt in der Regel mit der Vollendung des 65. Altersjahres bzw. auf das Ende des noch laufenden Semesters – sowohl bei M?nnern als auch bei Frauen.
Wie l?uft das Berufungsverfahren ab?
Nun, da die verschiedenen Arten von Professuren bekannt sind, stellt sich die Frage, wie man überhaupt in dieses Amt berufen wird.
Die Rekrutierung von Professor:innen aller Stufen – Assistenz-, ordentliche und ausserordentliche Professor:innen – ist ein gut etablierter und transparenter Kernprozess der ETH Zürich. Verantwortlich dafür ist der Stab Professuren, der direkt dem Pr?sidenten unterstellt ist.
Eine ausführliche Beschreibung des gesamten Berufungs-Prozesses findet sich auf der Webseite Ablauf des Berufungsverfahrens. An dieser Stelle eine Kurzübersicht der verschiedenen Phasen:
- Prinzipienentscheid: Zeichnet sich ab, dass eine Professur frei wird, f?llt das betroffene Departement einen Prinzipienentscheid darüber, ob eine Professur wiederbesetzt werden soll, eine Neuorientierung innerhalb der Professur n?tig ist oder eine inhaltlich ganz neue Professur geschaffen werden soll. Das Departement entwirft anschliessend ein Profilpapier. Dieses enth?lt u.a. das wissenschaftliche Profil der gesuchten Person sowie eine erste Liste m?glicher Kandidat:innen. Der abschliessende Entscheid über die Freigabe einer Professur liegt beim ETH-Pr?sidenten.
- Ausschreibung der Professur; Konstituierung und Einsetzen der Berufungskommission: Die Professur wird in einschl?gigen internationalen Publikationsorganen ausgeschrieben und über Beziehungsnetze des Departements bekannt gemacht. Der ETH-Pr?sident setzt die Berufungskommission ein – eine divers zusammengesetzte Gruppe von Expert:innen (mit Einbezug von Studierenden und Doktorierenden), die sich anschliessend um die konkrete Kandidat:innen-Suche kümmert.
- Kandidat:innen-Evaluation und Berufungsempfehlung: Die Berufungskommission sichtet die eingegangenen Bewerbungen und entscheidet, welche Kandidat:innen eingeladen und n?her begutachtet werden. Dies sind in der Regel vier bis sechs Personen, darunter – wenn m?glich – mindestens zwei Frauen. Nach ?ffentlichen Vortr?gen, vertraulichen Interviews und einer anschliessenden eingehenden Diskussion erstellt die Kommission für den ETH-Pr?sidenten eine rangierte Berufungsempfehlung. Diese Liste sollte nach M?glichkeit mindestens eine Frau enthalten.
- Kandidat:innen-Entscheid: Der ETH-Pr?sident entscheidet, ob er der Empfehlung der Berufungskommission direkt folgt, weitere Erkundigungen vornimmt oder die von der Kommission in die Liste aufgenommenen Personen zuerst pers?nlich kennenlernen m?chte, bevor er beschliesst, mit wem er Verhandlungen aufnehmen wird.
- Berufungsverhandlungen: Der Stab Professuren kl?rt zusammen mit dem betroffenen Departement die Ausstattungswünsche der/des Spitzenkandidat:in ab. Der ETH-Pr?sident handelt anschliessend das endgültige Angebot aus.
- Annahme der Offerte und Ernennungsantrag: Nachdem die/der Kandidat:in die Offerte angenommen hat, geht ein Ernennungsantrag an den ETH-Rat.
Was sich in diesen sechs Schritten einigermassen schlank darstellen l?sst, ist in Realit?t ein l?ngerer Prozess: Von der Ausarbeitung des Profilpapiers bis zum Amtsantritt der neuen Professorin/des neuen Professors vergehen im Schnitt zwei Jahre.
Was ist mit Direktberufungen?
In begründeten Ausnahmef?llen ist es gem?ss der Professorenverordnung m?glich, vom regul?ren Berufungsverfahren abzuweichen und auf eine offene Ausschreibung der Professur zu verzichten. Das Departement unterbreitet in diesem Fall dem ETH-Pr?sidenten direkt einen Antrag zur Aufnahme von Verhandlungen mit einem:r hervorragenden Wissenschaftler:in.
Solche Direktberufungen sind allerdings selten und finden nur etwa zwei- bis dreimal pro Jahr statt. Sie sind jedoch ein wirkungsvolles Instrument, um gezielt qualifizierte Frauen zu berufen.
Welche Rolle spielt der ETH-Rat?
Als Aufsichtsrat bzw. kontrollierendes Organ des ETH-Bereichs prüft der ETH-Rat, ob die beantragten Berufungen gerechtfertigt sind und die Berufungsverfahren korrekt abgelaufen sind. Ist dies der Fall, ernennt er die neuen Professor:innen auf Antrag des ETH-Pr?sidenten und stellt deren Arbeitsvertrag aus.
Pro Jahr werden an der ETH Zürich etwa 35 neue Professor:innen ernannt. Die ?bersicht der kürzlich neu berufenen Wissenschaftler:innen finden Sie in dieser ETH-News.
Frauenf?rderung auf Stufe Professur
Diversit?t ist einer der Erfolgsfaktoren der ETH Zürich. Auch auf Stufe Professur und bei den Berufungen hat die Frauenf?rderung deshalb eine hohe Priorit?t.
Per Ende 2022 arbeiten an der ETH Zürich gesamthaft 567 Professor:innen, davon 120 Frauen (21%). Damit sich dieser Anteil zukünftig noch erh?ht, hat die ETH Zürich mit dem ETH-Rat das Ziel eines Frauenanteils von 35% bei Neuanstellungen auf Stufe Professur festgelegt – und sich selbst zus?tzlich das Ziel von 40% gesteckt.
Wie das aktuelle Equality Monitoring der ETH Zürich zeigt, konnte dieser prozentuale Anteil im letzten Jahr übertroffen werden: Bei Neuberufungen auf permanente Professuren lag der Frauenanteil 2021 bei 45% (+11% im Vergleich zum Vorjahr). Bei Assistenzprofessuren (mit und ohne Tenure Track) gingen 2021 sogar 57% aller Neuberufungen an Frauen, was ein Plus von 18% zum Vorjahr ausmacht.
Weitere Informationen
- Vier Professorinnen und Professoren ernannt
- ETH Zürich macht vorw?rts in Sachen Neuberufung von Professorinnen
- externe Seite Professorenverordnung
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