Ein Zeitungsartikel über eine Studie der Universit?t Zürich wirft zurzeit viele Fragen auf, weil darin behauptet wird, dass Studentinnen weniger ambitioniert seien als ihre m?nnlichen Kollegen und deshalb gar nicht Karriere machen m?chten. Julia Dannath, Vizepr?sidentin für Personalentwicklung und Führung, erkl?rt, warum sie diese Schlussfolgerung befremdet hat.
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Was haben Sie gedacht, als Sie in den Medien über diese Studie gelesen haben?
Die kolportierten Rückschlüsse, die aus der Studie gezogen wurden, haben mich irritiert und frustriert. Als Frau, die selbst einen ambitionierten Berufsweg eingeschlagen und gleichzeitig eine Familie mit drei Kindern gegründet hat, fühle ich mich auch ganz pers?nlich betroffen. Und selbstverst?ndlich erging es nicht nur mir so. Dieser Diskurs hat in der ganzen ETH-Community grosse Irritationen und Ver?rgerung ausgel?st.
Besonders schwierig ist, dass der Diskurs von einer Studie losgetreten wurde, die bis jetzt noch nicht publiziert und auch nicht peer-reviewed ist – sprich, ich und auch die meisten, die darüber sprechen oder schreiben, wissen nicht, was da genau drinsteht und wie die Studie methodisch gemacht ist. Ich kann mich deshalb auch nicht zur Studie ?ussern.
Inwiefern haben Sie denn die Rückschlüsse irritiert?
Für mich ist es schon ein ziemlicher Backlash in der Debatte, den ich so nicht für m?glich gehalten h?tte. Wenn ich sehe, dass basierend auf der medialen Berichterstattung pl?tzlich gefordert wird, dass es keine Krippenpl?tze mehr brauche, dass Frauen gar nicht mehr studieren sollten, oder dass man die Bemühungen zur Erh?hung des Frauenanteils in der Professorenschaft doch einstellen m?ge, dann l?sst mich das ungl?ubig zurück. Umso mehr pl?diere ich dafür, wieder etwas mehr Ruhe in dieses komplexe Thema zu bringen und vor allem faktenbasiert zu diskutieren.
Was sagen Sie ETH-Angeh?rigen – wo steht die ETH in dieser Diskussion?
Eines vorneweg: Ich – und ich bin sicher, damit spreche ich für die gesamte ETH-Community – bin unglaublich stolz auf alle unsere Dozentinnen und Dozenten, die zeigen, wie sich eine akademische Karriere und Familie vereinbaren lassen. Ich erlebe bei uns jeden Tag M?nner und Frauen, die ihre hohen Ambitionen sowohl im Beruf wie auch in der Familie mit voller Leidenschaft verfolgen. Ich wünsche mir, dass unsere Studierenden sie für ihre eigenen Lebenswege als Inspiration ansehen.
Natürlich wissen wir, dass individuelle Tr?ume und Rollenvorstellungen ganz unterschiedlich gelagert sein k?nnen und das ist auch gut so! Unsere Hochschule ist aber ein Ort der Innovation und wir sind stolz darauf, dass über 8500 Forscherinnen und Studentinnen mit grossem Engagement und grossen Ambitionen dazu beitragen, dass die ETH zu einer der weltbesten Hochschulen geh?rt. Was ich an der ETH jeden Tag erlebe, deckt sich in keiner Weise mit den Rückschlüssen, die nun die Runde machen.
Muss die ETH nun basierend auf dieser Debatte etwas an ihrer Strategie ?ndern?
Wie die Studie und die Berichterstattung nun sofort genutzt werden, um daraus politisch Kapital zu schlagen, zeigt, dass es die Debatte um verschiedene Rollenmodelle in der Gesellschaft noch braucht. An dieser Debatte beteiligen wir uns als ETH selbstverst?ndlich auch.
Aufgrund von reisserischen Artikeln und misogynen Kommentaren ?ndern wir unsere Strategie aber sicher nicht. Wir werden uns die Studie anschauen, wenn sie ver?ffentlicht ist und analysieren, was sie für die ETH konkret bedeutet. Ich m?chte aber daran erinnern, dass die ETH Zürich auch einen gesellschaftlichen und einen gesetzlichen Auftrag hat, die Chancengleichheit in der Bildung sicherzustellen und die Ausbildungs- und Karrierem?glichkeiten für Frauen im MINT-Bereich zu f?rdern. Dieser Auftrag des Parlaments zeigt ja, dass die Schweizer Gesellschaft bereits ein anderes Frauenbild hat als es hier von den Medien verbreitet wurde – die ETH will und muss diesen erfüllen. Unser Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Studierenden und Forschenden (unabh?ngig vom Geschlecht) ihr Potential voll aussch?pfen k?nnen. Und das werden wir auch weiterhin tun.
Anmerkung der Redaktion: Da wir nicht dazu beitragen wollen, dass sich der besagte Zeitungsartikel weiterverbreitet, verzichten wir bewusst auf eine Verlinkung.
Update vom 15.05: Unterdessen ist die Studie publiziert unter: externe Seite https://www.suz.uzh.ch/de/institut/professuren/rost/Leaky-Pipline.html.
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