Götterbaum & Co. – Segen oder Fluch?
Kennen Sie den G?tterbaum, den drüsigen Zimtbaum oder Kudzu? Ich schreibe über diese Pflanzenarten, weil sie für uns noch einige ?berraschungen parat haben dürften als Folge der Globalisierung und des Klimawandels.
Exotische Gew?chse galten über Jahrhunderte als chic und dienten dazu, den gehobenen Status einer Familie in ihrem Garten zu symbolisieren. Lange Zeit ging das gut, doch seit einigen Jahrzehnten machen sich diese Gew?chse aus den G?rten auf und davon und fangen an, die natürliche Waldvegetation buchst?blich zu unterwandern und in einigen F?llen auch zu überwachsen.
Warum passiert das?
Es gibt im Wesentlichen drei Gründe dafür, die mit der Globalisierung und dem Klimawandel zusammenh?ngen:
- Erstens, weil die weltweiten Personen- und Warenstr?me stetig zunehmen. So kommen immer mehr Pflanzen, aber auch Mikroorganismen und Tiere in Gebiete, in denen sie bisher nicht heimisch gewesen sind.
- Zweitens, weil in vielen L?ndern der gem?ssigten Zone, also auch in Mitteleuropa, die Intensit?t der Landnutzung abnimmt; beispielsweise werden erhebliche Fl?chen in der Schweiz, die früher landwirtschaftlich genutzt worden sind, jetzt von B?umen besiedelt. Das sind Fl?chen, auf denen auch exotische Baumarten gut wachsen k?nnen.
- Drittens, weil Fr?ste in den letzten 50 Jahren wesentlich seltener geworden sind, womit sich auch frostempfindliche Baumarten natürlich fortpflanzen k?nnen.
Was sind die Konsequenzen?
Einige Baumarten wie etwa der G?tterbaum (Ailanthus altissima) zeigen im Tessin eine ph?nomenal hohe Wachstumsrate von ein bis zwei Metern H?henzuwachs pro Jahr, was für eine Pionierbaumart typisch ist. Gleichzeitig hat der Baum aber auch eine unerwartet hohe Schattentoleranz im Bestand, was absolut nicht den Eigenschaften einer Pionierbaumart entspricht. An einigen Orten im Tessin findet man im Unterwuchs praktisch nur noch den G?tterbaum. F?llt man einen Baum, wachsen wie bei der legend?ren Hydra aus Wurzelbrut Dutzende B?ume nach – man wird den G?tterbaum also nicht mehr los!
Damit stellen sich einige Fragen: Weshalb hat der G?tterbaum bei uns diese aggressiven Eigenschaften, anders als im Herkunftsgebiet? Wird er in Zukunft unsere W?lder dominieren? Was würde das bedeuten für die Holzproduktion, die Erholungsnutzung und vor allem auch für den Schutz vor Naturgefahren an steilen H?ngen (z.B. Steinschlag)?
Der Zimtbaum (Cinnamomum glanduliferum) hingegen scheint im Moment noch keine ?Problem-Baumart? zu sein. Er kommt zwar neu in der ?freien Wildbahn? vor, ist aber derzeit nur ein Element unter anderen im Wald. Ob dies so bleiben wird? Und dann w?re da noch Kudzu (Pueraria lobata), jene Liane, die neue Triebe mit einer L?nge von bis zu 28 Zentimeter pro Tag bilden kann, ganze Baumbest?nde einfach überw?chst und die B?ume zum Absterben bringt. Bisher gibt es zwar erst eine einzige Fundstelle in der Schweiz – doch was passiert, wenn diese Art sich auszubreiten beginnt?
Forstliche Forschung tut Not
Das sind Fragen, welche von grosser Bedeutung sind für die gesamte Schweiz und darüber hinaus. Denn der G?tterbaum ist bereits daran, sich entlang der Autobahn nach Norden auszubreiten. Zudem gibt es über die ganze Nordschweiz verteilt einzelne (bisher gepflanzte) Vorkommen. Wann werden diese wild? Wie viel Klimaver?nderung braucht es dazu noch? Solche Fragen lassen sich nicht einfach so beantworten. Vielmehr erfordern sie Forschung auf verschiedensten Ebenen, von der ?kophysiologie bis zur Modellierung der zukünftigen Dynamik dieser Arten. Forstliche Forschung in solchen Bereichen, an WSL, ETH und anderen Institutionen, ist also nicht von gestern, sondern für morgen: Sie ist essentiell für die Bew?ltigung jener Prozesse, welche die Menschheit mit der Globalisierung und dem Klimawandel in Gang gesetzt hat.
Die drei erw?hnten Beispiele sind keine abschliessende Aufz?hlung – bereiten Sie sich auf ?berraschungen vor, auch vor Ihrer Haustüre und in Ihrem Erholungswald!