Lösten Plumes Plattentektonik aus?

Dass die oberste starre Schicht der Erdoberfl?che aus beweglichen Platten zusammengesetzt ist, geh?rt zum Grundschulwissen. Welcher Mechanismus die Plattentektonik jedoch in Bewegung gesetzt hat, ist bislang ein R?tsel. Ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von ETH-Professor Taras Gerya hat nun mithilfe von Simulationen eine m?gliche Antwort erhalten.

Vergr?sserte Ansicht: Venus
?hnelte die Oberfl?che der Erde vor Beginn der Plattentektonik derjenigen des Planeten Venus? (Bild: NASA/JPL)

?Nur zu wissen, wie ein Huhn aussieht und alle die Hühner davor ausgesehen haben, hilft nicht, das Ei zu verstehen?, sagt Taras Gerya. Der ETH-Professor für Geophysik spricht mit diesem Bild die Plattentektonik und die frühe Erdgeschichte an. Die Lithosph?re der Erde, also die oberste starre Schicht, welche die Erdkruste und den obersten harten Teil des Mantels umfasst, ist in verschiedene Platten unterteilt, die in st?ndiger Bewegung sind. Und Geologen verstehen heute gut, wovon diese Plattenbewegungen angetrieben werden: Entlang von sogenannten Subduktionszonen tauchen schwerere ozeanische Platten unter leichtere Kontinentalplatten. Ist die Bewegung einmal in Gang gekommen, wird sie durch das Gewicht der abtauchenden Platte aufrecht erhalten.

Nach wie vor verstehen Erdwissenschaftler jedoch nicht, was die Plattentektonik ausl?ste und wie sich die erste Subduktionszone bildete. Denn um das Abtauchen von Teilen der Erdkruste in den Erdmantel zu starten, braucht es eine Schwachstelle in der Lithosph?re. War es ein gigantischer Meteorit, welcher ein Loch in sie schlug? Oder sorgten die Kr?fte der Mantelkonvektion dafür, dass die Lithosph?re in bewegliche Teile zerbarst?

Vorbild Venus

Keine dieser Erkl?rungsversuche sind für Gerya schlüssig. ?Die modernen tektonischen Bewegungen lassen kaum Rückschlüsse darauf zu, was diese in Gang gesetzt hat?, erkl?rt er. Der ETH-Professor suchte deshalb nach einer neuen plausiblen Erkl?rung.

Vergr?sserte Ansicht: Fotla Corona auf Venus
Die konzentrischen Kreise einer Corona auf der Venus. (Bild: Nasa/JPL/Magellan)

Inspiration dafür fand er unter anderem anhand von Studien der Oberfl?che des Planeten Venus. Auf diesem Planeten gab es nie Plattentektonik. Dafür beobachtete (und modellierte) Gerya auf der Venus Strukturen, die in der Frühzeit (Pr?kambrium) der Erdgeschichte vor dem Einsetzen der Plattentektonik m?glicherweise auch auf der Erdoberfl?che zu finden waren: riesige krater?hnliche Kreise. Diese weisen vermutlich darauf hin, dass Mantelplumes vom Eisen-Kern der Venus an die Oberfl?che aufstiegen und die Haut dieses Planeten aufweichten und schw?chten. Plumes entstehen tief im Inneren der Venus, steigen bis unter deren starrer Aussenhaut auf und führen dabei teilweise aufgeschmolzenes Mantelmaterial mit sich. Durch den Widerstand der harten Lithosph?re gebremst, breitet sich der Materialstrom seitlich aus und nimmt die Form eines Pilzes an. Die Plumes sorgten dafür, dass die Lithosph?re geschw?cht und verformt wurde.

Solche Plumes existieren wahrscheinlich auch im Erdinnern. Sie k?nnten analog zur Venus in grauer Vorzeit Schwachstellen in der Lithosph?re der Erde erzeugt haben, welche für den Beginn der Plattentektonik n?tig waren.

Mantelplume erzeugt Schwachstelle

Zusammen mit Kollegen entwickelte der ETH-Geophysiker deshalb neue Computermodelle, mit deren Hilfe er diese Idee erstmals hochaufgel?st und dreidimensional untersuchte. Die entsprechende Publikation darüber wurde soeben in ?Nature? ver?ffentlicht.

So zeigen die Simulationen, dass Mantelplumes und die von ihnen erzeugten Schwachstellen tats?chlich die ersten Subduktionszonen initiiert haben k?nnten.

Vergr?sserte Ansicht: Modell Plumes
In der Aufsicht (l.) ist der Graben (blau), der den Deckel über dem Plume begrenzt, zu erkennen. Um den Ring zu vergr?ssern, muss die Lithosph?re einreissen. Bruchstücke davon tauchen in den Mantel ab und setzen die Plattentektonik in Gang. (Grafik: aus Gerya et al., 2015, Nature)

In den Simulationen schw?cht ein Plume die darüber liegende Lithosph?re. Es bildet sich eine kreisrunde sich ausdünnende Schwachstelle von mehreren Dutzend bis hunderten Kilometern Durchmesser. Diese wird durch den Materialnachschub aus den Tiefen des Erdmantels im Laufe der Zeit gedehnt. ?Um einen Ring ausweiten zu k?nnen, muss man ihn zerbrechen?, erkl?rt der Forscher. Das gelte auch für die Haut der Erde: Die ringf?rmige Schwachstelle kann sich (im Modell) nur dann vergr?ssern, wenn die R?nder einreissen.

Wasser schmiert den Plattenrand

Die Risse pflanzen sich schliesslich in der Lithosph?re fort. Grosse Schollen davon tauchen in den weichen Mantel ab, die ersten Plattenr?nder entstehen. Die Zugkraft, die durch das Abtauchen dieser Schollen entsteht, setzt dann die Platte in Bewegung. Sie taucht ab, gut geschmiert durch eingeschlossenes Meerwasser der darüberliegenden Ozeane. Die Subduktion wird in Gang gesetzt – und damit die Plattentektonik. ?Wasser ist als Schmiermittel eine unabdingbare Notwendigkeit, damit eine sich selbst erhaltende Subduktion in Gang kommt?, sagt Gerya.

In ihren Simulationen vergleichen die Forscher unterschiedliche Temperaturbedingungen und Zust?nde der Lithosph?re. Dabei kommen sie zum Schluss, dass sich die Plumes-induzierte Plattentektonik wohl nur unter den Bedingungen entwickeln konnte, die im Pr?kambrium vor rund drei Milliarden Jahren herrschten. Damals war die Lithosph?re zwar schon dick und abgekühlt, der Mantel jedoch noch sehr heiss. Damit war genug Energie vorhanden, um die über einem Plumes liegende Lithosph?re entscheidend zu schw?chen.

W?re die Lithosph?re indessen dünn und warm gewesen, also weich, würde sich gem?ss den Simulationen über dem Hut des Plumes lediglich eine ringf?rmige Struktur abl?sen. Diese würde rasch und gleichf?rmig in den Mantel absinken, aber nicht zum Einreissen und Abtauchen der Lithosph?re führen und letztendlich keine Plattenr?nder erzeugen. Ebenso kann in den Computersimulationen unter heutigen Bedingungen mit geringeren Temperaturunterschieden zwischen Lithosph?re und Plumesmaterial nur sehr selten durch Plumes ausgel?ste Subduktion entstehen, da die Lithosph?re bereits zu starr ist und der Plumes diese kaum mehr genügend schw?cht.

Dominanter Mechanismus

?Unsere neuen Modelle erkl?ren die Entstehung der Plattentektonik sehr plausibel?, sagt der Geophysiker. Die Aktivit?t von Plumes reiche aus, um das heutige Plattenmosaik entstehen zu lassen. Gerya h?lt die Kraft der Plumes sogar für den dominanten Ausl?ser der weltweiten Plattentektonik.

Die Simulationen k?nnen auch erkl?ren, wie sogenannte Triple Junctions entstehen, also Zonen, in denen drei Platten zusammenkommen. Eine solche Triple Junction bildet sich, indem der weiche ?Deckel? oberhalb des aufstossenden Plumes in verschiedene Richtungen gedehnt wird. Eine derartige Dreifachgabelung beobachtet man zum Beispiel am Horn von Afrika im L?nderdreieck ?thiopien, Eritrea und Djibouti.

Eine vergleichbare Schw?chungszone und damit einen Ansatzpunkt für die weltweite Plattentektonik gibt es wahrscheinlich auch auf der modernen Erde: Eine solche sehen die Erdwissenschaftler in der Karibischen Platte. Deren Form, Lage und Ausdehnung entspricht weitgehend den Simulationen mit den neuen Modellen.

Würde man sich einzig auf Beobachtungen abstützen, dürfte der Beweis, wie die Plattentektonik auf dem Erdball eingesetzt hat, unm?glich sein. Aus der Erdfrühzeit gebe es keine geophysikalischen und nur wenige geologische Daten, und Laborexperimente seien für sehr grossr?umige und sehr langfristige tektonische Prozesse nicht m?glich, sagt der ETH-Forscher. ?Computermodelle sind deshalb unser einziger Weg, um Vorg?nge in der frühen Erdgeschichte nachzustellen und zu verstehen.?

Vergr?sserte Ansicht: Plattentektonik
Die Lithosph?re der Erde ist in verschiedene Platten unterteilt. (Grafik: NASA)

Literaturhinweis

Gerya TV, Stern RJ, Baes M, Sobolev S, Whattam SA. Plate tectonics on the Earth triggered by plume-induced subduction initiation. Nature, published online 11th November 2015, doi: externe Seite 10.1038/nature15752

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