Mit Eisenergänzung gegen Blei

Mit einer gezielten Eisenerg?nzung von Biskuits l?sst sich bei Kindern in Regionen mit hoher Bleibelastung der Gehalt des giftigen Schwermetalls im Blut markant senken. Dies zeigt erstmals ein Forschungsteam unter ETH-Leitung in einer Studie mit Schulkindern in Marokko auf.

Marokkanische Schulkinder
Weniger Blei im Blut: Marokkanische Schulkinder profitierten von eisenerg?nzten Biskuits. (Themenbild: www.pixabay.com, CC0 Public Domain)

Blei ist ein giftiges Schwermetall, das bis vor 25 Jahren auch in der Schweiz dem Autobenzin zugesetzt wurde. Es sch?digt insbesondere die sich entwickelnden Gehirne von Kindern und Jugendlichen. Die Sch?den sind nicht umkehrbar.

Die Situation versch?rft sich markant, wenn Personen einer erh?hten Bleibelastung ausgesetzt sind und gleichzeitig an Eisenmangel leiden. Blei und Eisen binden im Dünndarm an das gleiche Transportprotein, welches die Metalle ins Blut bef?rdert. Nimmt nun ein Mensch mit der Nahrung zu wenig Eisen zu sich, wird der Transporter aktiver und kann Blei statt Eisen ins Blut bef?rdern, was im Hirn und K?rper zu erh?hten Werten des giftigen Schwermetalls führt.

450 Schulkinder untersucht

Ein Team von Forschenden um ETH-Professor Michael B. Zimmermann vom Labor für Humanern?hrung zeigt nun in einer Studie auf, dass sich bei Kindern, die erh?hten Bleiwerten ausgesetzt sind, der Bleigehalt des Blutes mit einer Eisenerg?nzung in der Nahrung markant senken l?sst.

Das ist das Resultat eines Versuchs, den Zimmermanns frühere Doktorandin Raschida Bouhouch und Kollegen im südlichen Marokko mit über 450 Kindern durchführte. Dies ist die erste kontrollierte prospektive Studie, die den Zusammenhang zwischen Eisenmangel und Bleivergiftung untersucht und aufzeigt, dass Eisenerg?nzung tats?chlich den Bleigehalt des Bluts senken kann. Sie entstand im Rahmen eines Nord-Süd-Projekts der ETH Zürich sowie der Universit?t und dem Universit?tsspital Marrakesch.

Die Kinder im Vorschul- und Schulalter waren durch Bergbau in ihrer Umgebung einer erh?hten Bleimenge ausgesetzt. Gleichzeitig war der Eisengehalt in ihrem Blut relativ tief. Sie geh?rten also einer Risikogruppe an.

Ein Biskuit mit Eisen

Die Kinder erhielten abgestimmt auf ihr Gewicht w?hrend viereinhalb Monaten t?glich mehrere Weissmehl-Biskuits mit unterschiedlichen Eisenerg?nzungspr?paraten. Zum einen erhielten sie Kekse mit einer bestimmten Menge an Eisensulfat, zum anderen solche mit Natrium-Eisen-EDTA oder Natrium-EDTA ohne Eisen. Um den Effekt der Eisenerg?nzung zu testen, erhielten einige der Kinder nur Placebo-Biskuits, die kein zus?tzliches Eisen enthielten.

EDTA, mit vollem Namen Ethylendiamintetraessigs?ure, bildet mit Eisen stabile Komplexe, was dessen Aufnahme vom Darm ins Blut verbessert. EDTA selbst wird nicht absorbiert. Dieses Molekül kann aber auch an Blei binden und dessen Aufnahme verringern. Die Verbindung ist in Europa als Lebensmittelzusatzstoff E385 in emulgierten Saucen, Dosen- und Glaskonserven zugelassen. Natrium-Eisen-EDTA wird bereits seit l?ngerem als Eisenerg?nzung in Nahrungsmitteln eingesetzt.

Vor dem Versuch und nach dem Versuch massen die Forschenden den Bleipegel im Blut und den Eisenstatus der Kinder. Auch kl?rten die Wissenschaftler mit Tests, wie gut die Kinder kognitive Aufgaben l?sen konnten.

Positiver Effekt auf Blei

Zur Freude der Forschenden konnten eisenerg?nzte Kekse tats?chlich den Bleigehalt des Blutes senken, und zwar um einen Drittel mit Natrium-Eisen-EDTA-Komplexen und um einen Viertel mit EDTA und Eisensulfat.

Vor Beginn der Studie enthielt das Blut der Kinder im Durchschnitt 4,3 Mikrogramm Blei pro Deziliter. Mit Natrium-Eisen-EDTA-versetzten Biskuits liess sich der Blutbleigehalt auf 2,9 Mikrogramm senken. Auch verbesserten die Biskuits den Eisenstatus bei den Kindern. Keinen Effekt hatte die Abnahme des Bleigehalts hingegen auf die kognitiven Leistungen, wie die Forschenden mit den entsprechenden Tests herausfanden.

Zimmermann ist dennoch mit dem Ergebnis dieser Studie sehr zufrieden: ?Das Resultat, dass man schon mit einer kurzen Intervention den Bleigehalt im Blut bei exponierten Personen senken kann, ist für das ?ffentliche Gesundheitswesen hoch relevant?, sagt der ETH-Professor.

Zwar habe der Blutbleigehalt bei den Kindern vor der Eisensupplementierung entgegen ihrer Erwartung mit 4,3 Mikrogramm pro Deziliter Blut im weltweiten Durchschnitt gelegen. Durch die Verabreichung der Biskuits habe er sich aber dennoch deutlichsenken lassen k?nnen.

Dass sich die kognitiven Leistungen nicht verbessert haben, führt Zimmermann darauf zurück, dass Blei bleibende Sch?den hinterl?sst, die durch Eisenverabreichung nicht rückg?ngig gemacht werden k?nnen. ?Eisenerg?nzung zur Vorbeugung von Hirnsch?den bei exponierten Teilen der Bev?lkerung zu verwenden, ist aber auf jeden Fall sinnvoll?, so der Ern?hrungsspezialist. Die Eisensupplementierung k?nnte sogar F?ten im Mutterleib wirksam vor sp?teren Hirnsch?digungen schützen.

Weil die Blei-Grundlast der untersuchten Schulkinder dem weltweiten Durchschnitt entspricht, sind die Resultate laut Zimmermann gut auf andere Regionen und Bev?lkerungsgruppen übertragbar.

Mittel der Wahl: NaFeEDTA

Aufgrund dieser Resultate empfiehlt er, in Gebieten, wo die Bleibelastung hoch und Eisenmangel h?ufig ist sowie eisenerg?nzte Nahrung bereits eingesetzt wird, Natrium-Eisen-EDTA als Zusatz in Nahrungsmitteln zu verwenden. ?Das ist das effektivste Mittel, um den Bleigehalt im Blut zu senken?. Es ist zwar teurer als Eisensulfat, dafür aber wirksamer.

Bleiverseuchte Nahrung und Wasser ist nach wie vor in Bergbau- und Schwerindustriegebieten Afrikas, Indiens und Chinas ein grosses Problem. Aber auch in westlichen Industrienationen ist das Thema nicht vom Tisch. Aufgeflammt ist die Diskussion in Flint, Michigan, USA. Das Trinkwasser ist bleiverseucht, weil die Bewohner mit Wasser versorgt werden, das durch Bleileitungen fliesst. Die Leitungen h?tten schon l?ngst ersetzt werden müssen.

Literaturhinweis

Bouhouch RR, El-Fadeli S, Andersson M, Aboussad A, Chabaa L, Zeder C, Kippler M, Baumgartner J, Sedki A, Zimmermann MB. Effects of wheat-flour biscuits fortified with iron and EDTA, alone and in combination, on blood lead concentration, iron status, and cognition in children: a double-blind randomized controlled trial. Am J Clin Nutr, first published October 12, 2016, doi: externe Seite 10.3945/ajcn.115.129346

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