Schlechte Aussichten für den Aletschgletscher

Dem gr?ssten Gletscher der Alpen setzt die Klimaerw?rmung sichtlich zu. ETH-Forscher haben nun berechnet, was vom Aletsch?glet?scher Ende Jahrhundert noch zu sehen sein wird. Im ungünstigsten Fall sind es noch ein paar kleine Eisfelder.

Aletschgletscher
Blick auf den Grossen Aletschgletscher von der Moosfluh oberhalb der Bettmeralp. Selbst im günstigsten Fall wird man von hier aus im Jahr 2100 kein Gletschereis mehr sehen. (Bild Matthias Huss / ETH Zürich)

Er zieht jedes Jahr Tausende von Touristinnen und Touristen aus aller Welt in seinen Bann: Der Grosse Aletschgletscher ist als gr?sster Eisstrom der Alpen neben dem Matterhorn der wichtigste Tourismusmagnet im Ober?wallis. Und er tr?gt mit seinem Schmelzwasser im Sommer massgeblich dazu bei, dass das trockene Rhonetal mit genügend Wasser versorgt wird.

Doch das zunehmend warme Klima setzt dem m?chtigen Gletscher genauso zu wie dem Matterhorn, das immer mehr zu br?ckeln beginnt. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zunge des Aletschgletschers um rund einen Kilometer zurückgezogen. Und es ist absehbar, dass sich dieser Trend auch in den kommenden Jahren weiter fortsetzen wird. Doch wie wird es um den Grossen Aletschgletscher am Ende des Jahrhunderts bestellt sein? Was wird dannzumal von ihm noch zu sehen sein, wenn man beispielsweise auf dem Eggishorn bei Fiesch oder dem Jungfraujoch steht?

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Entwicklung des Aletschgletschers bis 2100: Simulation für drei Klimaszenarien (Video: ETH Zürich)

Pr?zises Gletschermodell

Wenn es schlecht l?uft, nicht mehr viel. Zu diesem Schluss kommen Guillaume Jouvet und Matthias Huss aus der Gruppe von Martin Funk von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich. Die beiden Forscher haben in einer detaillierten Simulation untersucht, wie sich der Aletschgletscher in den kommenden Jahren ver?ndern wird. Dazu haben sie ein dreidimensionales Gletschermodell verwendet, mit dem sich die Dynamik eines einzelnen Gletschers detailliert abbilden l?sst. ?Die Eisbewegungen beim Aletschgletscher sind besonders komplex, weil von oben drei m?chtige Eisstr?me kommen, die sich auf dem Konkordiaplatz vereinigen und von da aus gemeinsam weiter ins Tal vorstossen?, erkl?rt Huss.

Eine vergleichbare Simulation haben Jouvet, der damals noch an der EPFL arbeitete, und Huss bereits vor 10 Jahren durchgeführt. Nun haben sie die Zukunft des Aletschgletschers nochmals abgesch?tzt anhand der neuen regionalen Klimaszenarien für die Schweiz, die im letzten Herbst vorgestellt wurden (CH2018). Dabei haben sich die beiden Forscher auf drei Szenarien konzentriert, die von unterschiedlich starken Ver?n?de?run?gen der CO2-Konzentration in der Atmosph?re ausgehen und damit auch von einer unterschiedlich starken Erw?rmung des Klimas.

Der beste Fall: 50 Prozent Verlust

Der günstigste Fall für den Gletschertourismus im Wallis w?re, wenn die globale Erw?rmung so wie im Klimaabkommen von Paris vorgesehen unter 2 Grad Celsius gehalten werden k?nnte. Dies setzt allerdings voraus, dass die Treibhausgasemissionen weltweit in naher Zeit massiv gesenkt werden, so dass das Klima ab ca. 2040 stabilisiert werden kann. ?Selbst in diesem Fall muss damit gerechnet werden, dass sich der Rückgang des Aletschgletschers bis Ende Jahrhundert fortsetzen wird?, h?lt Jouvet fest. ?Sowohl beim Eisvolumen als auch bei der L?nge müsste in diesem Fall mit einer Abnahme von mehr als 50 Prozent im Vergleich zu heute gerechnet werden.? Dass der Gletscher selbst bei einer baldigen Stabilisierung des Klimas sich weiter zurückziehen wird, h?ngt damit zusammen, dass grosse Gletscher sehr tr?ge sind und erst mit einer gewissen Verz?gerung auf Klimaver?nderungen reagieren.

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Sicht von Eggishorn - Markanter Rückgang der Eiszunge (Video: Guillaume Jouvet / ETH Zürich)

Gletscher ist nicht im Gleichgewicht

Wesentlich dramatischer sieht die Situation aus, wenn sich die Welt?gemein?schaft nicht zügig durchringen wird, effektive Massnahmen gegen die Klimaerw?rmung zu ergreifen. Geht man von einem ungünstigen, aber leider durchaus realistischen Szenario aus, bei dem sich das Klima in der Schweiz bis Ende Jahrhundert um vier bis acht Grad im Vergleich zur Referenzperiode 1960-1990 erw?rmen wird, werden vom ehemals gr?ssten Alpengletscher im Jahr 2100 nur noch ein paar mickrige Eisfelder übrigbleiben. ?Auch der Konkordiaplatz direkt unter dem Jungfraujoch, auf dem sich das Eis heute noch rund 800 Meter hoch türmt, wird dann v?llig eisfrei sein?, erg?nzt Jouvet.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch zu sehen, wie stark bereits die bisherige Erw?rmung dem Gletscher zusetzt: Auch in einem theoretischen Szenario, in dem das Klima künftig genau gleich bleiben würde wie in den letzten 30 Jahren, würde das Eisvolumen bis Ende Jahrhundert um mehr als einen Drittel abnehmen. Bliebe das Klima so wie in den letzten 10 Jahren, ginge sogar die H?lfte des Eises verloren. ?Diese Zahlen best?tigen, dass der Gletscher heute überhaupt nicht mehr im Gleichgewicht mit dem Klima ist?, erkl?rt Huss.

Literaturhinweis

Jouvet G, Huss M: Future retreat of Great Aletsch Glacier. Journal of Glaciology, 2019, Published online by Cambridge University Press: 11 September 2019, doi: externe Seite 10.1017/jog.2019.52

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