Aufforstung könnte in Europa Dürren mindern
Klimaforschende der ETH Zürich haben erstmals mit Beobachtungsdaten für Europa nachgewiesen, dass W?lder Niederschl?ge begünstigen. Ihre Analysen zeigen zudem: Würden die verfügbaren Landwirtschaftsfl?chen aufgeforstet, k?nnte die Niederschlagsmenge in Europa um mehr als sieben Prozent zunehmen.
Klimaforschende wissen schon lange: W?lder beeinflussen das regionale Klima. Zahlreichen Studien belegen, dass W?lder die Landoberfl?chentemperatur im Sommer meist senken und dazu beitragen, die Auswirkungen der globalen Erhitzung lokal abzufedern. Weniger gesicherte Erkenntnisse gibt es jedoch zur Frage, wie sich W?lder und die Aufforstung von Landwirtschaftsfl?chen auf lokale und regionale Niederschlagsmengen auswirken. Die Forschungsgruppe von Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima Dynamik, ist dieser Frage nun erstmals mit Beobachtungsdaten (anstelle von Modelldaten) für Europa nachgegangen.
Die Forschenden haben dazu Niederschlagsdaten von über 5800 Messstationen unterschiedlicher Messnetze berücksichtigt. Bedingt durch die Verfügbarkeit von Messdaten, haben sie den Fokus ihrer Analyse auf fünf Regionen in Europa gelegt: Gebiete in und um Grossbritannien, Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Finnland. In diesen Regionen haben die Forschenden Paare gebildet von jeweils einer Messstation in einem bewaldeten Gebiet und einer Messstation auf einer landwirtschaftlichen Fl?che. Der Unterschied an Bewaldung betrug dabei mindestens 20 Prozent. Gleichzeitig sollten die Stationen unter anderem auf vergleichbarer H?he und nicht weiter als 84 Kilometer voneinander entfernt liegen. In einem n?chsten Schritt hat das Team die gepaarten Messdaten mit einem statistischen Modell zur Erkl?rung der Niederschlagsmenge bereinigt. Dies, um den Effekt der Bewaldung zu isolieren und andere Faktoren auszuschliessen, die sich auf die Niederschlagsmengen auswirken k?nnten.
Starke Effekte vor allem im Winter
?Der Trend in unseren Daten ist trotz Ausreissern eindeutig?, erkl?rt Ronny Meier, Erstautor der soeben in externe Seite Nature Geoscience erschienenen Studie und Postdoc an der Professur für Land-Klima Dynamik. ?In bewaldeten Gebieten ist der Niederschlag im Durchschnitt deutlich h?her als in solchen, die landwirtschaftlich genutzt werden.? Damit hatten die Forschenden gerechnet. ?berraschend war jedoch, dass die lokalen Effekte im Winter deutlich ausgepr?gter sind als im Sommer. Eigentlich gingen Klimaforschende bisher davon aus, dass die Verdunstung von Wasser, die im Sommer besonders ausgepr?gt ist und durch W?lder begünstigt wird, zu mehr Niederschl?gen führt.
Meiers Hypothese: ?Wahrscheinlich ist die Oberfl?chenrauheit von W?ldern wichtiger als bislang angenommen und ein entscheidender Faktor für zus?tzliche Niederschl?ge.? Dadurch halten W?lder Luftmassen l?nger auf und induzieren mehr Turbulenzen, was den Niederschlag f?rdert. Hinzu kommt, dass W?lder im Winter w?rmer sind als ihre Umgebung, was Niederschl?ge zus?tzlich begünstigt. Neben den ausgepr?gten lokalen Effekten im Winter haben die Forschenden auch starke nicht-lokale Effekte im Sommer beobachtet, die weiter entfernt von bewaldeten Gebieten auftraten. Im Winter waren diese nicht-lokalen Effekte mehrheitlich in Küstenn?he zu beobachten, w?hrend sie in Kontinental- und Nordeuropa deutlich schw?cher sind.
?Basierend auf diesen Erkenntnissen haben wir berechnet, wie stark die Niederschlagsmenge in Europa durch zus?tzliche Aufforstung beeinflusst werden k?nnte?, erkl?rt Edouard Davin, Mitglied des Teams und Klimaforscher an der ETH Zürich. Dafür stützten sie sich auf die ?Global Reforestation Potential Map?, die anzeigt wieviel Land potenziell für Aufforstungsprojekte zur Verfügung steht, wobei Ackerland und Siedlungsgebiete sowie Skandinavien ausgenommen wurden, wo Aufforstung zu einem unerwünschten lokalen Temperaturanstieg führen k?nnte.
Das Ergebnis: Durch Aufforstung von insgesamt 14.4 Prozent der Fl?che im Studiengebiet, was etwas mehr als der Fl?che von Frankreich entspricht, würde die durchschnittliche Niederschlagsmenge um bis zu 7.6 Prozent erh?ht. Auf etwas mehr als einem Viertel der Landfl?che Europas würde die Niederschlagsmenge sogar um mehr als 10 Prozent zunehmen. ?Die geographische Verteilung der zus?tzlichen Niederschlagsmenge ist sehr variabel?, erkl?rt Meier. ?Und wir k?nnen bisher noch keine Aussagen darüber machen, ob sich eine Aufforstung in h?ufigeren oder in intensiveren Niederschl?gen zeigen würde.?
Ein Mittel gegen Dürren?
Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Forschung, sondern auch für politische Entscheidungen relevant. Die Wiederaufforstung von W?ldern ist heute eine der meist diskutierten Massnahmen zur Senkung von CO2-Emissionen. Die Studie legt nahe, dass solche Bemühungen zus?tzliche positive Effekte haben k?nnten. Klimamodelle zeigen n?mlich, dass Hitzewellen und Dürreperioden im Sommer auch in Europa zunehmen werden, w?hrend gleichzeitig die Niederschl?ge mit Ausnahme von Skandinavien zurückgehen werden. Durch zus?tzliche Aufforstung k?nnten Staaten diesem Trend entgegenwirken und den Niederschlagsrückgang kompensieren.
Meier warnt jedoch sogleich vor zu grossen Hoffnungen: ?Ein Wald w?chst nicht von einem Tag auf den anderen, sondern braucht dafür 20 bis 30 Jahre Zeit.? Und noch sei nicht gekl?rt, ob auch junge W?lder, zum Beispiel zehn Jahre nach Aufforstungsbeginn, bereits den lokalen Niederschlag erh?hen. Zudem findet er es wichtig, dass die Ergebnisse nicht isoliert betrachtet werden, sondern immer in Bezug auf die Gegebenheiten und Anforderungen der Menschen vor Ort. ?Zus?tzliche W?lder an einem Ort k?nnten durch ihre hohe Verdunstung B?chen und Flüssen Wasser entziehen, das dann an einem anderen Ort etwa für landwirtschaftliche Nutzungen fehlt.?
Und was ist mit Extremwetterereignissen wie Starkniederschl?gen, die als Folge der globalen Erhitzung genauso wie die Trockenheit zunehmen werden? K?nnten sie durch zus?tzliche Niederschlagsmengen sogar noch verst?rkt werden? ?Eine Modellstudie über Europa hat gezeigt, dass Aufforstung extremen Niederschl?gen tendenziell entgegenwirkt?, sagt Meier. ?Man kann also nicht direkt vom durchschnittlichen Niederschlag auf Extremereignisse schliessen?. Noch seien die Unsicherheiten bezüglich Niederschlagsver?nderungen durch Aufforstung aber gross und die aktuelle Studie basiere lediglich auf r?umlichen, nicht aber auf zeitlichen Vergleichen von Niederschlagsmengen. Meier und seine Kolleginnen und Kollegen pl?dieren dafür, dem Zusammenspiel von Landnutzungen und Wasserverfügbarkeit in der Klimadebatte künftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Literaturhinweis
Meier R, Schwaab J, Seneviratne I. S, Sprenger M, Lewis E, Davin E. L. Empirical estimate of forestation-induced precipitation changes in Europe. Nature Geoscience (2021). Doi: externe Seite 10.1038/s41561-021-00773-6